Segawa-Dystonie
Barbara Pfäffls Facharbeit

Schizophrenie, diskutiert als Dopaminüberschusserkrankung

Symptome

Unter dem Sammelbegriff Schizophrenie wird eine Gruppe von Erkrankungen mit bestimmten Gemeinsamkeiten zusammengefasst, die sich durch Realitätsverkennung auszeichnet. Sie wirken sich auf das Denken, die Überzeugung, die Wahrnehmung und die Gefühle des betroffenen Patienten aus, während die Intelligenz in der Regel nicht betroffen ist.

Bei dieser Krankheitsgruppe unterscheidet man die vielfältigen Symptome nach zwei Kategorien: der sog. Positiv- und Negativ-Symptomatik. Die Positiv-Symptomatiken gehen einher mit einer „Mehr“-Wahrnehmung als dem real Erlebten. Typisch für Positivsymptome sind Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Ich-Störungen, wie z.B. soziales Fehlverhalten. Die Negativ-Symptomatiken zeichnen sich aus durch ein vermindertes Realitätserleben. Hierbei typisch sind Symptome wie Motivationsarmut, Affektverflachung, emotionaler- und sozialer Rückzug (Anti-Sozial), Denkverarmung, sogenannte Ambivalenz (widersprüchliche Emotionen und Gedanken).

Schizophrenie hat aber - entgegen einer häufigen Meinung - nichts mit einer gespaltenen Persönlichkeit zu tun. Erkrankte sind auch nicht gewalttätiger als Personen ohne dieser Erkrankung!

Verbreitung

Schizophrenie ist weit häufigerer verbreitet als allgemein angenommen wird. Sie betrifft Menschen aller Kulturen und aller Biographien. Unter hundert Menschen aus einem beliebigen Land findet sich im Durchschnitt einer mit Schizophrenie, d.h. etwa 1% der Bevölkerung ist von dieser Krankheit betroffen. In Deutschland sind dies rund 700.000, weltweit 60 Millionen Menschen. Spricht man vom „Lifetime-Risiko“, so heißt dies, dass statistisch gesehen jeder Hundertste mindestens einmal im Leben eine schizophrene Phase durchlebt. Am häufigsten haben junge Erwachsene mit dieser Krankheit zu kämpfen, die Krankheit kann aber auch früher oder später beginnen. Männer und Frauen erkranken in etwa gleich häufig, Frauen (zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr) erkranken aber im Durchschnitt 5 Jahre später als Männer (zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr). Das Erkrankungsrisiko beträgt etwa 1:10, wenn bei einem Elternteil oder einem Geschwister Schizophrenie diagnostiziert wurde. Sind beide Eltern betroffen steigt das Risiko sogar auf 1:3, bei eineiigen Zwillingen ist das Risiko 1:2, bei Zweieiigen etwa 1:4. Wenn dagegen Onkel, Tante, ein Cousin oder eine Cousine betroffen sind, liegt das Risiko zu erkranken, nicht sehr viel über dem der Normalbevölkerung (1:100). Dies alles spricht für eine starke genetische Komponente dieser Erkrankung.
Genetische Faktoren
Ohne Familienanamnese ca. 1%
Onkel, Tante 2,4%
Ein Elternteil 5,6%
Geschwister 10%
Zweieiige Zwillinge 15,5%
Eineiige Zwillinge 40%

Vererbung

Es ist bisher noch niemandem gelungen, ein Gen zu finden, welches für die Entwicklung einer Schizophrenie verantwortlich gemacht werden könnte. Wäre Schizophrenie eine rein genetisch verursachte Erkrankung, müsste das Erkrankungsrisiko bei eineiigen Zwillingen 100% betragen. Vermutlich kann aber die „Anfälligkeit“ vererbt werden, d.h. die Wahrscheinlichkeit an Schizophrenie zu erkranken. Dies erklärt die gesteigerte Häufigkeit innerhalb von Familien. Man kann dies in Analogie zu Diabetes Typ I sehen, eine Erkrankung, bei der auch die Veranlagung vererbt wird, aber es zusätzlich Faktoren von Außen braucht, um die Krankheit zum Ausbruch zu bringen.

Auslösende Ereignisse

Als Auslöser einer Schizophrenie können Lebensereignisse wirken, die mit viel Stress verbunden sind. Beispielhaft werden oft schulische Veränderungen, Beziehungsänderungen oder die Geburt eines Kindes angegeben. Auch andere Faktoren, wie Alkoholkonsum oder Drogen, können diese Erkrankung auslösen oder verschlimmern. Bei manchen Patienten treten die Symptome der Psychose auch erstmals bei hohem Fieber oder während einer anderen Erkrankung auf.

Risikofaktoren für schizophrene Erkrankungen:
  • Positive Familienanamnese
  • Geburtskomplikationen
  • Virusinfektion der Mutter in der zweiten Schwangerschaftshälfte
  • Frühkindliche Infektionen
  • Frühkindliche Hirnschädigung
  • Drogen
  • Konfliktreiche Beziehungen

Mögliche Ursachen und Diagnoseansätze

Die genaue Ursache der Schizophrenie ist bislang nicht geklärt, aber es gibt verschiedene Forschungsansätze.

Dopaminhypothese
Die Dopaminhypothese stellt einen Zusammenhang zwischen dem Neurotransmitter Dopamin und den psychotischen Krankheitsbildern der Schizophrenien her.
Die Geschichte der Dopaminhypothese beginnt in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts und ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Grundlage der Theorie war es, schizophrene Symptome auf der Basis einer gestörten dopaminergen Signalübertragung zu erklären. Dies beruht auf der Beobachtung, dass beim Verabreichen von Chlorpromazin, dem ersten klassischen Neuroleptikum der Medizingeschichte, die dopaminerge Signalübertragung geblockt wird und sich eine schizophrene Psychose verbessern kann.
Die Basis der Dopaminhypothese bildet die Wirksamkeit von D2-blockierenden Neuroleptika, die zu einer klinischen Verbesserung der Symptome der Schizophrenie führt. Die Annahme, dass es sich um eine Erhöhung der zentralen Dopamin-D2-Rezeptoren handelt, konnte durch neuartige Verfahrensweisen an der Columbia Universität wiederlegt werden. Die Dopaminhypothese geht davon aus, dass eine überschießende Verfügbarkeit von Dopamin im Gehirn zu psychotischen Realitätsverkennungen führt. Dies wird mit verfälschten Reizübertragungen in den Synapsen aufgrund abnorm hoher Neurotransmitterkonzentrationen erklärt. Abbildung 13: Dopaminmodell (aus www.psychiatrie.uni-luebeck.de/lehre/Schizophrenie 11.03.2008) Dopaminmodell (aus www.psychiatrie.uni-luebeck.de/lehre/Schizophrenie 11.03.2008)
Die Beobachtung, dass Neuroleptika zentrale Dopamin D2-Rezeptoren blockieren, unterstützt diese Hypothese und führte zu einem Therapieansatz der Schizophrenie (siehe Therapie). Die Dopaminhypothese wird auch getragen von der Beobachtung, dass dopaminerge Substanzen eine akute Psychose auslösen können. So kann die dopaminerge Therapie eines Parkinson-Patienten zu Symptomen der Schizophrenie führen. Die Schizophrenie-auslösende Eigenschaft von Drogen kann neurophysiologisch wie folgt erklärt werden: Kokain stimuliert die Ausschüttung von Dopamin in den synaptischen Spalt und Amphetamine hemmen die Dopaminaufnahme in präsynaptische Nervenendigungen und steigern damit ebenfalls die Neurotransmitterkonzentration von Dopamin im synaptischen Spalt.
Die Dopaminhypothese: Ein Modell mit zu vielen Fehlern?
Gegen die Dopaminhypothese spricht, dass Negativsymptome durch die Behandlung mit klassischen Neuroleptika entstehen können oder nicht behandelbar sind. Es werden also nur die Positivsymptome der Schizophrenie verdeckt. Die Dopaminhypothese ist aber bis heute eines der beständigsten Konzepte beim Erklären der Ursachen von Schizophrenien.
Zusammenfassend muss man feststellen, dass die Schizophrenie im Gegensatz zum Segawa-Syndrom wahrscheinlich eine Dopaminüber -schusserkrankung darstellt.
Glutamathypothese
Im Gegensatz zur Dopaminhypothese steht die Glutamathypothese. Postuliert wird eine Unterfunktion von Glutamat am NMDA-Rezeptor (dem Glutamatrezeptor), als deren Folge es zur Ausbildung der Negativ-Symptomatik bei Schizophrenien kommt. Bei dieser Hypothese gelingt es mittels NMDA-Rezeptorantagonisten, wie Phenylcyclidin oder Ketamin eine Modellpsychose hervorzurufen, die wesentlich größere Ähnlichkeit mit schizophrenen Erkrankungen aufweist, wie andere Modellpsychosen. In der klinischen Praxis wurde Ketamin bereits als Provokationstest bei Schizophrenen eingesetzt. Die Patienten berichteten auch, dass der dabei induzierte Zustand ihrer Psychosen wesentlich ähnlicher sei, als Zustände, die bei anderen psychoaktiven Substanzen induziert werden. Die unmittelbaren therapeutischen Verwendungen dieser Hypothese sind aber deutlich eingeschränkt, da Glycin, ein Glutamatantagonist, neurotoxisch wirkt.
Theorie der neuronalen Entwicklungsstörung
Neben der Dopamin- und Glutamathypothese, die einen biochemischen Erklärungsversuch darstellen, lassen sich manchmal im Gehirn von Schizophrenen auch organische Veränderungen finden. Manche schizophrene Patienten weisen leicht erweiterte Hirnventrikel auf. Oft tritt ein teilweiser Mangel an Nervenfasern und Nervenverbindungen auf, ein Phänomen, welches im Hirngewebe verstorbener Schizophrener nachgewiesen werden konnte. Bei Spezialuntersuchungen der Gehirne von Schizophrenie-Patienten, ist oft eine verminderte Aktivität des Frontalhirns zu erkennen. Diese messbaren Größen lassen sich durch die Theorie der neuronalen Entwicklungsstörung erklären. Hier wird ein Zusammenhang von Schizophrenie und frühkindlichen Hirnschädigungen angenommen, wie sie z.B. bei Geburtskomplikationen auftreten. Auch sollen frühkindliche Infektionen eine Rolle spielen können. Es stehen bestimmte Viren (Herpes simplex, Influenza und Borna-Viren) und andererseits Protozoen, wie Toxoplasma gondii (Übertragen durch Kontakt mit Katzen) und bestimmte Borellien (Zeckendiskussion) unter Verdacht Schizophrenie auszulösen. Diese Theorie der Entstehung der Schizophrenie ist jedoch nicht unumstritten, da hier mit dem Nachweis von Antikörpern im Blutserum argumentiert wird und dieses Vorgehen wegen methodischer Unsicherheiten oft angezweifelt wird. Beide dieser biologischen Faktoren führen zu Entwicklungsstörungen im Gehirn, welche sich in einer veränderten Vernetzung von Nervenzellen im Feinaufbau des Gehirns äußern. Für diese Hypothese spricht der Zeitpunkts des Ausbruchs in der Pubertät, da es in diesem Lebensabschnitt zur vollständigen Hirnreifung kommt.
Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell
Ein weiteres Modell, welches die Entstehung der Schizophrenie erklären soll, ist das „Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell“. In der Medizin bezeichnet Vulnerabilität (Verletzbarkeit) die Anfälligkeit, z.B. an Schizophrenie, zu erkranken. Bei vielen Erkrankungen wird die Anfälligkeit des Einzelnen durch verschiedene zusammenwirkende Faktoren bedingt. Eine angeborene, perinatale oder biographisch erworbene Vulnerabilität kann durch Stress zur Psychose führen. Ist diese Psychose durch Medikation unter Kontrolle, kann Stress zu einer erneuten Entgleisung führen. Abbildung 14: Stressabhängigkeit der Psychose (nach www.psychiatrie.uni-luebeck.de/lehre/Schizophrenie 11.03.2008) Abbildung 14: Stressabhängigkeit der Psychose (nach www.psychiatrie.uni-luebeck.de/lehre/Schizophrenie 11.03.2008)

Therapie

Bis heute sind die schizophrenen Störungen nicht heilbar. Frühere Behandlungen, wie Insulinschock, Elektroschock oder Operationen am Frontallappen des Gehirns sind veraltet, da ihre Wirksamkeit nicht bewiesen werden konnte. Heute unterscheidet man eine medikamentöse und eine nicht-medikamentöse Behandlung, wobei festgestellt werden muss, in welcher Phase der Erkrankung sich der Patient befindet. In der akuten Phase steht häufig die medikamentöse Behandlung im Vordergrund. Es werden, aufgrund der Dopaminhypothese, Neuroleptika eingesetzt, welche in den Neurotransmitterstoffwechsel eingreifen und damit schnell die Akut-Symptomatik mildern oder beseitigen können. Ältere Neuroleptika greifen in den Dopaminstoffwechsel ein. Hier treten aber oft gravierende Nebenwirkungen, wie Bewegungsstörungen, parkinsonähnliche Symptome und Ataxien (quälende Bewegungsunruhen) auf. Zusätzlich zu diesen Neuroleptika werden oft Antidepressiva oder angstlösende Medikamente vom Arzt verordnet. Abbildung 15: Wirkprinzip von Neuroleptika (aus www.psychiatrie.uni-luebeck.de/lehre/Schizophrenie 11.03.2008) Abbildung 15: Wirkprinzip von Neuroleptika (aus www.psychiatrie.uni-luebeck.de/lehre/Schizophrenie 11.03.2008) In der nicht-akuten Phase, welche oft am Beginn der Erkrankung steht, ist eine nicht-medikamentöse Behandlung zu bevorzugen. Hierbei soll eine Bindung an den Therapeuten geschaffen werden. Im Vordergrund steht hier eine psychosoziale Erziehung. Dies kann durch Soziophrenietherapie, Arbeitstherapie und Ergotherapie erreicht werden, welche helfen sollen dem Patienten eine Tagesstruktur zu schaffen. Es wird darauf hingearbeitet, den Erhalt des Arbeitsplatzes oder eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Begleitende Psychotherapie soll dem sozialen Abstieg entgegenwirken, indem von Betroffenen Eigenverantwortung wiedererlernt werden soll. Es kann hier aber nur eine konsequente Therapie, die möglichst früh beginnt die Krankheitsaussichten verbessern. Bei Patienten, welche die Kontrolle über ihren Krankheitsverlauf verloren haben, führt dies meist zu schweren psychosozialen Einschränkungen, welche auch eine dauerhafte Betreuung und die regelmäßigen Gabe von Medikamenten notwendig macht.

Volkswirtschaftliche Bedeutung

Die Schizophrenie ist die kostenintensivste psychiatrische Erkrankung überhaupt. Die jährlichen Gesamtkosten belaufen sich in Deutschland auf circa 5 Mrd. €. Mit circa 2,5 Mrd. € bringt die gesetzliche Krankenversicherung rund 1,7% ihrer gesamten Ausgaben für die Behandlung der Schizophrenien auf. Die Gesamtkosten sind damit mindestens vergleichbar mit denen der großen Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus oder koronare Herzkrankheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die Schizophrenie weltweit als eine der teuersten Krankheiten ein. Die Gründe sind ihre Häufigkeit, der chronische Verlauf und die Beeinträchtigung der Fähigkeit zu selbständigem Leben.